Ein Hund im Norden

Ein Spaziergang am frühen Morgen ist ein Segen für den ganzen Tag

Was mein Philosophen-Kollege Thoreau mal sagte, ist meinen Menschen offenbar völlig unbekannt. Denn jeden Morgen, wenn ich Frauchen wecke, sagt sie, es sei noch zu früh.

Ich verstehe das nicht.

Es ist völlig egal, ob wir früh oder spät ins Bett gegangen sind. Ob Alltag ist oder Wochenende. Ob es draußen stürmt oder die Sterne noch vom Himmel funkeln. Es ist zu früh. Immer ist es noch zu früh. Dabei bin ich doch wach und habe ausgeschlafen. Ein kurzer Spaziergang, um mal nach dem rechten zu sehen oder besser noch ein kleiner Snack wären jetzt genau das Richtige.

Aber nein!


Und dabei wecke ich Frauchen extra schon sehr vorsichtig.

Erst setze ich mich einfach neben ihre Bettseite und schaue sie an. Anfangs etwas verstohlen, dann eindringlich. Hilft das nicht, springe ich mit den Vorderläufen aufs Bett und stupse sie an. Manchmal lecke ich ihr auch durchs Gesicht. Dann lacht sie meistens – aber es ist trotzdem noch zu früh. Natürlich.
Heute hat Frauchen mal wieder mit mir im Wohnzimmer geschlafen, so wie die erste Zeit als ich hier eingezogen war. Das war schön. Sie auf dem Sofa und ich davor auf meinem Bettchen. Herrlich. Das Tollste war: Morgens kann ich sie richtig schön wecken. Aufs Sofa kann ich nämlich schon alleine, das klappt sehr gut. Und Frauchens Bett ist so schön warm und kuschelig. Da krabbel ich ja richtig gerne drauf. Könnte ich das doch bloß auch im Schlafzimmer! Aber da darf ich es nicht.

Noch nicht.

Und natürlich ist es auch heute mal wieder „zu früh“ – ich liege also wieder ein paar Sekunden still und als Frauchen kurz davor ist, wieder einzuschlafen, mache ich mich auf, Richtung Kopfkissen zu robben. Da ist es doch am besten. Auf dem Weg ausgiebig Frauchens Hände lecken und auf dem Kissen angekommen, gleich mal Frauchens Gesicht genauer untersuchen. Habe ich ja auch nicht jeden Tag Gelegenheit zu – da heißt es Chance ergreifen!
Aber auch das ist um diese Uhrzeit nicht so gern genommen bei meinem Menschen – was soll ich denn noch alles machen? Also gehe ich wieder auf mein Bettchen vor dem Sofa und liege still bis Frauchen erneut fast eingeschlafen ist.

Attacke!

Jetzt ist es aber spät genug und ich kann Frauchen wecken. Oder? Oder? Frauchen, aufstehen! Ich kriege noch kein Futter? Wie, warum? Aber ich habe schon Hunger und guck doch mal, wie dünn ich schon aussehe – offenbar treffen all meine Argumente auf taube Ohren. Die muss ich wohl mal auslecken, damit da was ankommt….Ach Mann, jetzt darf ich also auch nicht mehr aufs Sofa. Gut. Also nochmal schlafen versuchen. Still liegen. Vom letzten Spaziergang träumen. Bei Frauchen klappt es schon – oder war ich auch kurz eingedämmert? Dann ist es JETZT aber die richtige Uhrzeit zum Wecken. Oder? Oder, Frauchen? Guten Morgen! Und endlich! Sie steht auf und streichelt mich erstmal ausgiebig auf dem Wohnzimmerteppich. Inklusive Bauch kraulen, das habe ich besonders gern. Herrlich. Ach, das könnte immer so weitergehen! Als sie kurz mit den Worten „ich bin gleich wieder da“ ins Badezimmer verschwindet, lege ich mich schnell auf ihre Bettdecke aufs Sofa. Es riecht so schön nach Frauchen und ist auch noch ganz warm. So gemütlich hier. Und so schön viel Platz. Wer will denn jetzt schon raus in die Kälte? Ich jedenfalls nicht. Ich glaube, ich schlafe noch ein Ründchen.


Ist ja auch noch viel zu früh.

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